Die Finnin Susanna Mälkki gilt als eine der besten Dirigentinnen der Welt. Ein Gespräch über ihren Weg vom Cello zum „Superinstrument“ Orchester.

Die Presse

Teresa Schaur-Wünsch

Als Susanna Mälkki als ausgebildete, erfolgreiche Cellistin mit Mitte 20 zur Aufnahmeprüfung der Dirigentenausbildung antrat, tat sie es heimlich. „Ich habe kaum jemandem davon erzählt“, sagt sie. „Es hat Spaß gemacht, erst im Nachhinein zu sagen: Übrigens, ich bin drin.“

Ein paar Jahre zuvor hatte die Finnin zum ersten Mal im kleinen Rahmen beim Spielen mit befreundeten Musikern einen Taktstock in der Hand gehabt und festgestellt: „Es fühlt sich richtig an.“ Ansonsten konnte sie damals nur ihre Erfahrung als Dirigierte in die Waagschale werfen. Sie hatte damals schon immer in Orchestern gespielt, erzählt Mälkki, und dabei das Tun der Dirigenten genau beobachtet. „Warum“, fragte sie sich, „ist es mit manchen Dirigenten so leicht, zu spielen, und mit anderen so schwierig?“

Vielleicht habe auf ihrem Werdegang auch die finnische Tradition mit hinein gespielt: „Bei uns ist Dirigieren etwas, das alle Musiker einmal ausprobieren sollten. Da gibt es keine so große Trennung.“ Aber natürlich, selbst im egalitären, fortschrittlichen Finnland war eine Frau am Pult vor 25 Jahren noch ein Novum.

Heute dirigiert Mälkki seit fast 20 Jahren Sinfonieorchester, gilt als eine der besten Dirigentinnen der Welt. Mit jeder Bewegung ihres Taktstocks schlage sie ein Stückchen aus der Gläsernen Decke der klassischen Musik, schrieb die „Los Angeles Times“ unlängst. In Los Angeles ist Mälkki Erste Gastdirigentin. Quasi hauptberuflich ist sie seit 2016 Chefdirigentin der Helsinkier Philharmoniker, im selben Jahr gab sie auch ihr Debüt an der New Yorker Met. Stützpunkt ihrer sehr mobilen Profession ist Paris. Dort lebt sie seit zehn Jahren, von 2006 bis 2012 leitete sie dort das von Pierre Boulez gegründete Ensemble Intercontemporain mit seinen oft richtungsweisenden Interpretationen zeitgenössischer Musik. Oper hat sie lange Zeit wenig dirigiert. Das sei keine Entscheidung ihrerseits gewesen, sagt sie, „aber wenn man moderne Musik dirigiert, glauben die Leute schnell, dass man Oper nicht kann“. Man lande in einem „Pigeon Hole“, einem Sortierfach.

„Dantons Tod“ als Neuland

Für die heutige Premiere an der Wiener Staatsoper stand die analytisch denkende 49-Jährige vergangene Wochen vor der Aufgabe, mit „Dantons Tod“ anlässlich Gottfried von Einems 100. Geburtstags ein Stück zu proben, das weder sie noch das Orchester kannten – 1972 stand die Oper hier zuletzt auf dem Spielplan. „Im Haus mit dem größten Repertoire ist das wirklich eine Seltenheit.“ Danton verlange Flexibilität und Präzision mit seinen vielen Stilen, Charakteren und umschlagenden Stimmungen „zwischen Kraft und Intimität“, sagt sie. „Wir alle mögen das Stück mit jedem Tag mehr.“ Und man spüre, dass von Einem Text schätzte, von Büchner, Kafka, Dürrenmatt, Kafka fasziniert war.

Ihre Aufgabe als Dirigentin ist es, die musikalischen Fäden in der Hand zu halten. In ihrem Kopf sei Musik immer schon etwas Vielstimmiges gewesen; ein Orchester ist für sie „das bester aller Instrumente – ein Superinstrument.“ Es zu spielen, dabei helfe ihr auch heute die Erfahrung als Cellistin. „Ich verstehe die Dynamik eines Orchesters, als große Gruppe mit vielen Untergruppen, unterschiedlichen musikalischen Persönlichkeiten und einer eigenen Hierarchie.“

Und weil man mit ihr natürlich auch über die Frauenfrage reden muss: Ja, auch sie sei einst nicht nur auf ermutigende Menschen gestoßen, sondern auch auf solche, „die nicht dachten, dass ich gut sein könnte“. Weniger seien das Musiker gewesen als Intendanten und Direktoren. Geholfen habe ihr früh die erfolgreiche Zusammenarbeit mit Komponisten: „Das hat mich daran erinnert, was am wichtigsten ist.“ Sonst sei der Beruf des Dirigenten das, was er ist. „ Es ist eine Rolle großer Verantwortung. Und eine, in der viel gespiegelt wird. Ich muss authentisch sein. Wenn ich die ganze Zeit nachdenke, wie ich wahrgenommen werde, merken das auch die Musiker.“

Auf einer Dirigentinnen-Konferenz wurde unlängst übrigens gewettet, wann die erste Frau das Wiener Neujahrskonzert dirigiert. Solche Spielchen findet Mälkki müßig. „Aber der Tag, an dem es passiert, wird wundervoll.“

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