Dirigentin Susanna Mälkki debütiert mit "Dantons Tod" an der Staatsoper und spricht über Machtspiele, Resonanz und Stile.

Wiener Zeitung

Judith Belfkih

Als Seitenwechsel hat sie es nie gesehen. Das Dirigieren hat einfach die Oberhand übernommen. Gestartet hat die finnische Dirigentin Susanna Mälkki ihre Karriere nämlich als Solo-Cellistin der Göteborger Symphoniker. Eine Erfahrung, von der die 1969 geborene Finnin bis heute profitiert: “Ein Dirigent ist entweder hilfreich oder störend für ein Orchester, das habe ich selbst jahrelang erfahren können.” Dabei hat Mälkki nicht nur viel über die Kommunikation zwischen den unterschiedlichen Dirigenten und den Orchestermusikern gelernt, sondern vor allem über diejenige zwischen den Musikern untereinander. Es war die Liebe zum großen Klang, die Susanna Mälkki dazu bewogen hat, an die Hochschule zurückzukehren und parallel noch Dirigieren zu studieren: “Da war eine große Klarheit dafür da. Zu dirigieren hat sich wie eine Erweiterung der klanglichen Möglichkeiten angefühlt – und gar nicht wie ein Seitenwechsel.”

Spontane Liebe

Zum Cello greift Susanna Mälkki heute nur noch zum eigenen Vergnügen. Nach einigen Jahren Pause spielt sie privat wieder regelmäßig – “um die Resonanz zu spüren und mich zu erinnern, um mich wieder in diesem körperlichen Handwerk des Musizierens zu verwurzeln”.

Diesen Samstag dirigiert Susanna Mälkki an der Wiener Staatsoper die Premiere von Gottfried von Einems Oper “Dantons Tod”. Gekannt hat sie das Werk nicht, als sie von der Staatsoper das Angebot erhielt, damit in Wien zu debütieren. Nach dem Studium der Partitur sagte sie jedoch sofort zu: “Es ist ein sehr kraftvolles Stück. Und obwohl von Einem erst 27 Jahre alt war, als er es schrieb, ist es ein sehr reifes Werk.” Auch den Stoff hält die Dirigentin – trotz der Verwurzelung in der Französischen Revolution, für aktuell und wichtig: “Es geht um Machtspiele, um die Selbstermächtigung des Volkes, die ungleiche Verteilung von Wohlstand und die Manipulation von Massen – all das kennen wir heute leider auch noch.” Auch musikalisch hat es ihr das Stück angetan, Mälkki schwärmt von den wunderbaren vokalen Linien und der virtuosen, pulsierenden Instrumentalisierung: “Da ist kein Takt zu viel in diesen 90 Minuten Musik. Ein kompaktes, ein sehr frisch und inspiriert klingendes Werk – darin steckt auch seine Modernität.”

Dass sie selbst immer wieder als Neue-Musik-Spezialistin bezeichnet wird, empfindet Susanna Mälkki nicht als störende Schubladisierung: “Musik des 20. und 21. Jahrhunderts ist ein starkes Element in meiner Karriere.” Darauf reduzieren lassen, möchte sie sich jedoch nicht: “Ich bin mit dem großen Orchesterrepertoire aufgewachsen, es ist Teil meines musikalischen Selbstverständnisses.” Die strikte stilistische Trennung zwischen sogenannter klassischer und zeitgenössischer Musik, die würde sie gerne nicht mehr thematisiert wissen: “Diese Trennung existiert nur in den Köpfen – ich liebe Programme, die Alt und Neu verbinden und die Kontinuität zeigen.”

Mehr: Wiener Zeitung